Editorial #3

Portrait im Profil von Franz Kohlmann in Schwarz Weiß

MORD UND ANDERE ZUFÄLLE
Franz Koglmann eröffnet das Festival Retz 2024

Mit seiner neuen CD „Near Blue“ ist er gerade in aller Munde: Franz Koglmann, Trompeter, Flügelhornist, Komponist und Doyen der österreichischen Jazz-Szene. Der gebürtige Mödlinger verwahrt sich gegen stilistische Schubladen:

„Ich schreibe Musik, die Jazz zulässt.“

Intellektuell und mental zwischen Improvisation und europäischer Avantgarde verortet, zählt Koglmann zu jenen Grenzgängern, denen das Musikland Österreich viele kreative Impulse und internationales Renommee verdankt. Seine legendären Konzerte mit Steve Lacy, Bill Dixon und Tony Coe lassen die Herzen seiner großen Fan-Gemeinde höherschlagen. Und setzten neue ästhetische Standards. „Cantos“, „L’heure bleue“, „An Affaire with Strauß”, „The Use of Memory” oder „Nocturnal Walks” sollten in keiner gutsortierten Plattensammlung fehlen. 

Die „Wiener Musikgalerie“, die Koglmann zusammen mit seiner Lebensgefährtin Ingrid Karl – einer Nachfahrin von Peter Rosegger – Anfang der 1980er Jahre gründete, entwickelte sich über Jahrzehnte zu einem Treffpunkt der globalen Musikwelt und bot neuen Klangsprachen wie atemberaubenden Soundkonzepten ein prominentes Forum.

Koglmanns Sound ist unverwechselbar. Ob in kleiner Jazz-Club-Besetzung, im großen Konzertensemble, selbst auf der Theaterbühne (er schrieb zwei Musiktheaterwerke, die beide für großes Aufsehen sorgten, und ein gefeiertes Ballett). Seine musikalische Sprache ist inspiriert von bildender Kunst, Film und Literatur und gleicht einem Bilderrätsel: voll kultureller Bezüge und gewitzter Anspielungen, lakonischem Hintersinn und einem Schuss Melancholie.

Um jeden Ton, jede Phrase, jede „Line“ und jeden „Chorus“ ist eine gekühlte Schicht. Koglmann liebt das Vordergründige, das Offensichtliche, das Normierte und Standardisierte nicht. Seine Klänge balancieren auf dem schmalen Grat zwischen Vorstellung und Überraschung. Mit respektvoller Zurückhaltung eröffnet er dem Publikum Möglichkeiten, in eine faszinierend vielschichtige Klangwelt einzutauchen. – Ein Angebot, das man nicht ausschlagen sollte!

Sein Leben lang hat sich Koglmann mit einem Monolithen der österreichischen Literaturlandschaft auseinandergesetzt: Heimito von Doderer. In jungen Jahren durfte er einmal den exzentrischen Sprachvirtuosen, der der österreichischen Seele bis auf den Grund geschaut hat, live erleben. Seither hat ihn die Faszination für das Kaleidoskop menschlicher Befindlichkeiten, das Doderer in voluminösen Romanen und prägnanten Kurztexten ausbreitet, nicht losgelassen. Obwohl viel von Doderers Skurrilität in Koglmanns Arbeiten mitschwingt, ist er dem Verehrten kompositorisch nicht nähergetreten. – Bislang!

Auf Anregung des Festival Retz widmet Franz Koglmann sein neues Opus Doderers erstem veröffentlichten Roman.

„Ein Mord, den jeder begeht“ ist die Geschichte eines Mannes, dem sein Dasein über den Kopf geschüttet wird und an ihm nun herunterrinnt. Ein Leben lang! Ein Jugendstreich, dessen letale Folgen ihm gar nicht gewärtig sind, holt ihn auf verworrenen Wegen zwischen Zufall und Schicksal ein und wird ihm selbst zum Verhängnis.

Mit einer Uraufführung eröffnet Franz Koglmann den diesjährigen Veranstaltungsreigen des Festival Retz. Ihm zur Seite: Sandro Miori, Bertl Mütter und Peter Herbert. Jeder für sich international gefeierter Solist. Zusammen ein einmaliges Erlebnis.

Wir freuen uns, Sie am 4. Juli 2024 im Schloss Gatterburg in Retz begrüßen zu dürfen!

Ihr
Team vom Festival Retz

Picture of Team Festival Retz
Team Festival Retz

Christian Baier, Sonja Soukup, Erwin Kraus